Der Werner sagt ja, der Spitzbühl sei „das Sylt“ der Modellflieger, da muss man zwar gewesen sein aber es ist eigentlich zu abgehoben. Nun, dann kann ich Sylt wärmstens empfehlen! Die faszinierende Landschaft, die bezaubernde Vegetation, die gastfreundlichen Leute und die fliegerischen Möglichkeiten lockten die Erni und mich die letzten Jahre immer wieder dort hinaufsobald die Wettervorhersagen ein gewisses Maß an Reserve versprachen um Unsicherheiten und …Schönfärberei abzufedern. Am ersten Tag ging’s wetter-bedingt nicht, aber die Erni und ich wollten wenigstens ein Stück Buchweizen-Torte haben und gingen halt ohne Flieger hinauf – um dann zu sehen, dass es doch ging, wenigstens für eine halbe Stunde – nun gut, nur für elektrisch ausgerüstete Modelle empfehlenswert.
Am zweiten Tag ging’s wirklich nicht. …bis gegen 12 Uhr weit, weit oben sich das Hoch durchsetzte und wir vom Spaziergang zurück zum Hotel spurteten, den Flieger packten und zum Spitzbühl eilten. Es ging tatsächlich, nur kurz, aber ausreichend zum Warmfliegen in ziemlicher Kälte. Dann kam doch leichter Regen auf, das Hoch war noch zu hoch, und wir wollten in’s Restaurant, aber da roch es so gottserbärmlich nach Knoblauch dass wir fluchtartig den Rückzug antraten – heute keine Buchweizentorte.
Ab Tag drei ging’s dann wirklich – mal so und mal so. Hungerleiden wechsete mit den sonst immer beschriebenen gigantischen/faszinierenden/begeisternden Lagen ab, manchmal ohne jeden Übergang. Wer mit einem reinen Segler nicht allzu viel riskieren wollte (nicht nur ich, auch die anderen) achtete stets auf ausreichend Reserve um die Dotterblumenwiese erreichen zu können. Es wurde jeden Tag ein klein’s bisserl wärmer und die Wolken blieben innerhalb 2/8 bis 6/8.
Anfangs kamen keine Sylt-Assoziationen auf sondern ein Kamerad fühlte sich eher an seinen Ostsee-Urlaub erinnert als wir uns mit dem kleinen Zelt abmühten… aber ein Rundgang brachte dann doch echtes Sylt-Feeling: Feinstes Gerät ab mittlerer Größe aufwärts und beliebig positioniert auf der oben offenen Euro-Skala war zu sehen. Dernier Cri ist auch hier der ausfahrbare Impeller, aber nicht irgendeiner: Anhören tun sich solche Dinger wie Strahlturbinenantriebe.
Man fliegt unbekümmert weit unter der Starthöhe, das setzt sich immer mehr durch, der Antrieb wird’s schon richten – jedenfalls wenn er mitmacht; in Ernstfall musste das Modell dann, mit leerem Akku sagte man, nach alter Väter Sitte kreisend und mit Können vor 20 Zuschauern wieder auf Normalhöhe gebracht werden. Es ging nichts ernsthaft kaputt oder gar verloren in dieser Woche.
Unüblich, jedenfalls soweit ich es kenne, war, dass die Piloten mit den wirklich schweren Modellen nicht „einfach“ am südlichen (linken) Teil des Spitzbühl-Plateaus standen und beim Höhe-Tanken nach hinten (Südost) schauten – viele gingen, sobald sie eine gewisse Höhe hatten, gleich nach hinten und schickten die Flieger heulend, fauchend und pfeifend nach vorne. Früher ging man nur zum Landen hinter wenn die Wiese nach Norden nicht reichte.
Hinten landet es sich ja auch bequemer und sicherer – nur nicht für die Tandem-Paraglider, die müssen immer noch vorne auf dem kleinen Plateau landen, das voller Menchen steht. Für dieses spannende, spektakuläre Manöver fliegt man keine 10m über dem Seil des Sesselliftes an, keine 5m an dem Hexen-Denkmal und 10m am Haus vorbei und setzt dann wenige Schritte neben den Zuschauern und denen, die gerade auf der Nord-Wiese ihr Modell landen, auf; wenn’s nicht klappt plumpst man halt irgendwo hin, z.B. gefühlt unmittelbar hinter meinem Kreuz (und ich stand links vom Weg!) oder man fliegt keine 5m neben (nein, nicht über) der Stange mit dem Windsack vorbei wieder hinaus – und die Passagiere zahlen auch noch dafür dass sie die Knautschzonen dafür abgeben dürfen. Es gibt auch die wirklichen Könner, die hinten landen und ihren Schirm ganze 50m auf’s Plateau tragen – Respekt!
Apropos Paraglider: Einer flog kurz nach dem Start wieder zum Plateau zurück und rief ‚runter: „Ihr mit den Segelflugmodellen, macht sofort den Luftraum über dem Paraglider frei!“ – kaum zu glauben.
Einmal fragte ich einen Kameraden, wo denn der Sacklhupfer sei, vor dem ich gerade erst meinen raumgreifenden Versuch von „Echnatons Schluckauf“ hatte abbrechen müssen, ob er sich denn wieder von hinten anschlich. „Nein, nein, „antwortete der freundliche Mann in schönstem Switzerdütsch, „flieg‘ unbesorgt weiter, ’s ischt kain Teebeutel in d’r Nähe“.
Ich war diesmal der einzige, der mit dem Katapultstart nicht nur Fahrt sondern auch Höhe gewinnen wollte – es war schon irgendwie ulkig, wie ich mit meinem Mini-Mach den Start ein wenig verschieben musste bis der Paraglider in großer Höhe so weit weg war dass ich ihn ganz sicher nicht aufspiessen würde… Nur ein Schuss klappte nicht ganz, er war nur 98m hoch, die anderen waren dreistellig. Einen konnte ich nicht messen denn er ging nahtlos in’s thermische Steigen über – schneller rauf als vorwärts (ok-ok, etwas gemogelt, bei Gegenwind sieht das schon mal so aus). Das erzeugt richtig gute Laune. Und IHR, der Herzallerliebsten, hat’s auch gefallen. Sie schaute ja immer meinem Modell nach und freute sich mit mir. Einmal, als ich nach dem Landen zu ihr zurück kam, schaute sie ganz überrascht: „Ach, Du bist schon da? Und wer ist dann der dort oben?“ Ein anders Modell sah meinem Mach2 tatsächlich recht ähnlich.
Ich flog fast nie über 200m hoch, die anderen Modelle machten das Beobachten so kleiner Silhouetten schwer. Dass meine Modelle nicht so laut fauchen wie die großen, schweren habe ich schon früher betont – aber richtig pfeifen tun sie auch.
Wir waren im neuen Chalet Dolomites untergebracht, einem schnuckeligen kleinen Haus mit richtig freundlichen Leuten und einer Küche, die man nicht so schnell vergisst, wo auch schon mal Extra-Würschte für Leute mit ausgeprägter Knoblauch-Phobie oder anderen Unverträglichkeiten gebraten werden. Positiv ist auch der Ski-Raum direkt neben dem Hotel-Eingang (mit kleinem Arbeitstisch und Strom), sowie die gute Lage für Leute, die zum Spitzbühel hinauf gehen wollen.
Neidisch? Selber hinfahren!
Helmut